Die Fahrt beginnt

10. Faramond 2650 JL (10. Ingerimm 1023BF)

Ihr seid gerade eingeschlafen, so kommt es euch vor, als ihr abrupt aus euren schlummernden Träumen herausgerissen werdet.
Eine donnernde Stimme lässt euch erschrocken hochfahren. "Alle Leute an Deck, aber zack zack!" Votan schreitet an den Kojen entlang, und versichert sich, dass sein Gebrüll auch jeden verkaterten Matrosen aus der Hängematte holt. "Los, aufstehen, verdammt nochmal! Wir legen ab!"

Tjalva blinzelte unter der Decke hervor, die sie sich bis zur Nase hochgezogen hatte, brauchte ein paar Augenblicke um zu realisieren wo sie war. Als es ihr klar wurde war sie sofort hellwach. Wir legen ab!! Schoss es ihr durch den Kopf und sie schwang sich aus ihrer Koje. Schnell zog sie sich an und band sich die blonden, widerborstigen Haare zu einem Zopf zusammen.

Auch Helena, von der lauten Stimme Votans erwacht, musste sich kurz umsehen bevor ihr klar wurde dass sie sich nicht mehr in den wohligen Behausungen der Ordensgemeinschaft befand. Als jedoch die lauten Rufe in Ihrem Verstand anfingen zusammenhängende Sätze zu formen, kehrte die Vorfreude und somit die Betriebsamkeit zu ihr zurück.
Sie schlug die Decke beiseite, stieg aus der Hängematte, straffte sich kurz und zog Ihre offiziellen Swafnirgewänder an.
"Dann machen wir den Kahn mal abfahrbereit," mit diesem Satz machte sie sich auf an Deck um Asleif zu suchen. Sicherlich würden Sie den Bootssegen noch vorm Ablegen sprechen.

Janda stöhnte leise als sie eine kräftige Stimme hörte die Befehle bellte, die ihr schlaftrunkenes Hirn noch nicht verarbeiten konnte. Sie wälzte sich in ihrer Hängematte auf die andere Seite und zog die Decke über den Kopf. Sie hörte das einige sich aus den Hängematten schwangen und die Füße dumpf auf dem Boden aufkamen. Das Rascheln von Kleidern, die eilig übergeworfen wurden. Dann und wann eine leise aufgeregte Unterhaltung, Lachen.
Janda knurrte, konnte man sie nicht schlafen lassen, es war doch noch mitten in der Nacht.

Nur zaghaft öffnete sie ein Auge und blinzelte verschlafen über den Rand ihrer Hängematte und unter den Decken hervor. Dämmerlicht beherrschte den Raum, hier und da huschten dunkle Schatten vorbei. Einer stieß im vorbeilaufen gegen ihren Schlafplatz, so dass dieser heftig hin und her schwang.

"Heee du elende Sumpfranze, kannste zum Pissen nicht vorsichtiger laufen." rief sie der Person hinterher und setzte sich auf. Dabei funkelte sie wütend und grummelig in das Halbdunkel des Schiffs.

Alarmiert riss Jarn die Augen auf und tätigte im Reflex sein persönliches Notfallmanöver: sich mitsamt Hängematte herumdrehen und auf allen vieren landen. Hatte sich viele Male als sehr schnell und lebensrettend erwiesen, wenn auch nicht wirklich als elegant.

Er musste sich einen kurzen Augenblick orientieren. Nicht die Galgenspötter. Aber auch kein Sklavenschiff. Neues Zuhause. Aber gewohnte Befehle. Es hieß "Alle an Deck!" also rannte er los und schloß sich dem Trubel weiter oben an.

Eure Sinne hatten euch nicht getrügt. Es war tatsächlich noch mitten in der Nacht, als die Mannschaft das Schiff abfahrbereit machte.
Zwei Seeleute eilten zum Dock und lösten die Taue. Ragnar, Asleif und Tjorolf standen auf dem Achterdeck und trafen die letzten Vorbereitungen. Ragnar rief Befehle zum Segelsetzen, während Tjorolf das letzte mal die Handhabung des Ruders überprüfte.

Helena ging auf Asleif zu. "Brechen wir jetzt schon auf? Mitten in der Nacht? Was ist mit dem Bootssegen? Wir sollten ihn sprechen bevor wir aufbrechen!" Verwunderung mischte sich in Ihre Aufregung. Was hatte das zu bedeuten?

Tjalva wurde vom Strom der an Deck laufenden Leute mitgerissen.
Als sie oben war blickte sie sich verwirrt um, wusste nicht so recht was zutun war.
Nach ein paar Atemzügen bekam sie etwas Klarheit zurück und packte kräftig bei ein paar Matrosen mit an die grade das Boot von den Seilen befreiten.

Ha! Wie in den guten alten Tagen. Fehlten nur noch die schwarzen Segel. Ha!

Gut gelaunt war er sich in die Wanten und half den Leuten etwas weiter oberhalb des Decks. Erst kurze Zeit später fiel ihm auf das es ein reiner Reflex gewesen war. Schwimmen und klettern. Das waren seine normalen Fortbewegungsmittel. Wenn er nicht schwamm, hing er meistens im Krähennest, in den Wanten oder sonstwo, je nach Bauart des Schiffes. Naja, wenn er hier was falsch machte würde ihn bestimmt jemand zurechtstutzen, also erstmal weiterzurren und schnüren.

Alseif nickte Helena wissend zu. "Entschuldige diese beschissene Nacht und Nebel Aktion. Ragnar hat beschlossen mitten in der Nacht loszufahren, um mögliche Spione zu täuschen. Wir werden Thorwal verlassen haben, ehe die Stadt überhaupt etwas davon bemerkt."
Dann blickte sich Asleif prüfend um, ob auch alle ihre Arbeit taten wie sie es sollten. Einige Seeleute waren bereits in den Wanten und setzten die Segel. Nachdem die Leinen gelöst waren, eilten die Seeleute am Steg wieder aufs Schiff zurück und Asleif gab den Befehl die Planke einzuziehen.
Dann wendete er sich wieder Helena zu. "Du wirst das Schiff während des Auslaufens weihen müssen. Ich habe hier alle Hände voll zu tun. Falls du Hilfe brauchst, sag Bescheid, oder nimm dir ein zwei Leute dazu."

Nachdem Jandas Geist registriert hatte, dass tatsächlich Befehle gebrüllt wurden, dass es hier nicht um eine spät abendliche Feier ging und es auch nicht sein konnte, dass die ganze Mannschaft auf einmal pissen musste, schwang sie sich mit einem innerlichen Jubler aus der Hängematte. Eilig schlüpfte sie in Hose und Stiefel, griff sich ihr Hemd und zog es im hocheilen an.

An Deck war allerhand los, Leute kletterten in den Wanten um die Segel zu hissen, die Ankerleinen wurden gelöst. Janda war verwirrt und blickte in den finsteren Nachthimmel. Es war weder morgengrauen noch kurz vor Morgengrauen. Was zum Teufel sollte das. Sie erblickte Asleif der mit der einäugigen Swafnirgeweihten sprach. Eilig kam sie näher und bekam noch mit, dass die Geweihte das Boot während des ablegens weihen sollte.

Janda runzelte die Stirn, was zum Henker ging hier vor. Wurde Thorwal erneut angegriffen? Sie wandte sich an die Swafnirgeweihte und suchte in ihrem Gedächnis nach ihrem Namen. "Heda...ähm...Helene...was hier los hä?"

Helena blickte überrascht in das Gesicht der jungen Frau. Sie erkannte sie, es musste eine der neuen sein. Sie war doch die die sich ein wenig in der Gesellschaft von Tjalva unwohl fühlte und sich sehr abweisend verhielt. Na egal, sie kam ihr gerade recht: "Wir nutzen die Stunde, damit in der Stadt niemand unser Ablegen bemerkt." Die knappe Antwort musste reichen, jetzt gab es wichtigeres. "Komm mit ich brauch deine Hilfe. Wir müssen das Schiff weihen, ohne dies sollte keine Mannschaft den Hafen verlassen. Swafnir muss mit uns sein um die Horasier zu besiegen." Helena machte sich auf um aus Ihrer Truhe die restlichen Utensilien zu holen. Im Vorbeigehen bemerkte Helena Tjalva bei den Matrosen die die Spinne von den Tauen befreiten. Noch eine hilfreiche Hand. Sie winkte Tjalva zu und rief: "Tjalva, liegt dein Glaube auch bei Swafnir oder folgst du dem Elfenglauben? Ich könnte noch jemanden brauchen um das Schiff zu weihen!" Dies war auch eine gute Gelegenheit die Mannschaft zusammenzubringen. Argwohn oder Misstrauen konnten sie bei ihrer Fahrt nicht gebrauchen. Und wieso nicht die Stunde nutzen und zwei Fremde im Glauben vereinen.

Janda blickte die resolute Swafnirgeweihte verdutzt an, ihr Mund war geöffnet und eine Hand erhoben um etwas zu erwieder doch die Geweihte ließ sie gar nicht zu Wort kommen. So musste Janda mit der knappen Erklärung zufrieden sein. In ihren Gedanken wirbelte alles durcheinander. Warum sollte keiner das Ablegen bemerken? Sollte sie nicht eher dem Kapitän und dem Steuermann helfen? Was sollte sie bei der Weihe bloß machen?

Janda lief wie ein Kücken der Henne nach und kam sich ziemlich dämlich dabei vor. Dann plötzlich rief die Geweihte das Spitzohr zu sich. Janda blieb wie angewurzelt stehen. "Wie...das Spitzohr soll helfen bei der Weihe. Aber....he Hella...Helene...na...hier Helena, diese Spitzohren glauben doch gar nicht an Swafnir. Hälst du das für klug? Es bringt doch schon Unglück ein Spitzohr an Bord zu haben." Ihre Finger wollten wieder zum schützenden Eisen ihrer Axt wandern als sie bemerkte, dass sie diese nicht mit an Deck genommen hatte. Erschreckt blickte sie auf ihre Hüfte und dann mit leicht bleichem Gesicht zur Elfe hinüber.

Tjalva blickte von dem Tau auf das sie grade zusammen rollte und lächelte Helena und Janda an.

"Bei Swafnir, natürlich helfe ich Dir das Boot zu weihen, wenn Du mir sagst wa sich zu tun habe dabei!" Sie lächelte und sprang von einem aufgerollten Seil herunter zu den beiden.

Etwas leiser sagte sie dann "Und ich bin kein Spitzohr, Du tumbe Nuss!" Sie lachte auf und drehte ihren Kopf schief sodas Janda ihre Ohren sehen konnte die weder normal menschlich, noch lang und spitz elfisch waren. "Leg Deine blöden Voruteile ab, zumindest solange wir den Horasiern in den Puderquastenhintern treten. Dananch kannst Du gerne damit weiter machen." Tjalva lachte hell und klar auf, zu Helena gewandt "Ich glaube an Swafnir, was kann ich für Dich tun?"

Nach Jandas Bemerkung blieb Helena abpruppt stehen und blickte der Thorwalerin in die Augen: "Du solltest dich was schämen, wir sind eine Mannschaft. Solch missgünstige Wort will ich nie wieder hören. In Swafnir Augen sind wir alle gleich, Schwestern und Brüder im Glauben. Solltest du das nicht einsehen solltest du vielleicht das Schiff noch an Ort und Stelle verlassen."
Nach dieser Ansprache drehte sich Helena wieder um, ließ Janda einfach stehen und ging eiligen Schrittes zum Einstieg nach unten. Sie musste das Weihwasser holen. Und einen Zwist konnte sie nicht gebrauchen. Verstanden sie denn nicht das sie nur als Einheit die Horasier vernichten konnten. Wie engstirnig manche doch waren. Entweder die Thorwalerin verstand das sofort oder es war besser sie blieb hier.

Auf dem Weg nach unten nickte sie Tjalva zu und bedeutete ihr am Einstieg zu warten. Sie versuchte sich wieder zu beruhigen. Sie musste sich jetzt auf den Bootssegen konzentrieren. Das Weihwasser; kurz kramte Helena in ihrer Truhe. Ah da war es, gut das sie steht geweihtes Wasser bei sich trug. So blieb ihr mehr Zeit zum segnen.
Eiligen Schrittes machte sie sich wieder auf den Weg an Deck.

Janda kochte innerlich vor Wut. Was bildete sich diese Elfenschnepfe ein. Tumbe Nuss?! Janda ballte die Fäuste so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Sie wollte dieses schmächtige Persönchen grad eine mitten ins grinsende Gesicht geben, als die Swafnirgeweihte sich zu ihr umwandt und sie ebenfalls zurecht wies. Mit hochrotem und gesenktem Gesicht ließ sie die Standpauke über sich ergehen. Dabei fixierte sie aus den Augenwinkel mit bösem Blick die Elfe.

Die Swafnirgeweihte eilte unter Deck und ließ sie zu zurück, bedeutete jedoch der Elfe ihr zu folgen. Zornig strich sich Janda eine Strähne hinter das Ohr, drängelte sich absichtlich grob an der Elfe vorbei und stapfte unter Deck um ihre Skraja zu holen. Sollte doch dieser götterverfluchte Mischling beim Segen helfen. Sie würde jetzt bestimmt nicht hinter der Swafnirgeweihten hinterherhecheln. Und überhaupt..warum brauchte man nen Mischling um die Horasier in den Hintern zu treten. Dieses zarte zerbrechliche Ding wäre nach einem Schlag doch halbtot. Wütend schnaufte Janda, ging zu ihrem Lagerplatz und holte aus ihren Sachen ihre Skraja. Andächtig berührte sie den kühlen Stahl und fühlte sich gleich besser. Sie stieß an der Treppe wieder auf Helena.

Am Aufstieg zum Deck traf Helena wieder auf Janda. Sie war wirklich eine waschechte Thorwalerin, die Wut konnte man noch in Ihren Augen sehen. Streitlustig und kampfkräftig, so brauchte Swafnir seine Seeleute: "Nun? Hast du dich entschieden? Kann Swafnir auf dich zählen? Und wir? Ohne Swafnirs Segen sollten dies Schiff den Hafen nicht verlassen." Sie schaute Janda fragend an. "Und ohne die rechten, kämpfenden Recken will ich den Hafen nicht verlassen...", bei diesem Satz schaute Helena auf die Skraja und dann Janda in die Augen. "Wir brauchen jeden um den Horasiern so richtig in den Arsch zu treten...! Ich seh doch das Leuten in deinen Augen, richte den Zorn gegen die, die sich an unserem Volk vergangen haben. Für jedes weinende Kind, für jedes brennende Haus, für jeden sterbenden Thorwaler werden wir es ihnen vierfach vergelten. Mit Swafnirs Hilfe und als Gemeinschaft!"

Janda nickte Helena zu. "Das Wohl..Swafnir und auch Thorwal können auf mich zählen. Diese Puderquasten werden sich noch umgucken, keiner wird es mehr wagen gegen Thorwal zu ziehen und feige eine Stadt mit Kindern und Greisen abzubrennen. Bluten werden sie für die schändliche und feige Tat." Janda sprach mit gerechtem Zorn in der Stimme und schüttelte grimmig eine Faust um ihre Rede zu unterstreichen. Dann blickte sie die Treppe hoch und sah die Füße der Elfe, die auf die Swafnirgeweihte wartete.

"Jedoch sind mir Mischlinge nicht geheuer. Und du kannst noch so große Reden schwingen. Dieses Halbblut von der Statur eines Rehs muss mir erstmal beweisen, dass sie kämpfen kann. Jeder muss das." sie blickte Helena wieder in die Augen. "Wenn Swafnir es wünscht das diese da mit uns zieht und den Horasiern eins auf den Deckel gibt....dann werde ich vielleicht keine Vorbehalte mehr haben. Aber wir oben in Prem...wir kennen die Schneeläufer und Nebelrufer zu gut. Tödliche Schatten sind es und selbst unsere Vorfahren kannten im fernen Güldenland die Verderbtheit der Elfen. Es gibt genug Gesänge über die Heimtücke dieser Wesen." Janda straffte sich und bändigte mit einem hellblauen Kopftuch ihre rotblonden Locken. "Wir werden sehen was Swafnir fügt, Helena. Nun lass uns den Segen sprechen, ein Schiff ohne Segen bringt nochmehr Unglück als dieser Mischling da."

Sie stapfte die Stufen wieder nach oben, blickte der Elfe stur ins Gesicht, ihre Hand jedoch weilte auf dem schützenden Stahl.

Tjalva lächelte als Helena und Janda die Treppe wieder hinauf kamen. Sie bemerkte die bösen Blicke von Janda, ignorierte sie aber. Zu gut kannte sie die Vorurteile der verbohrten Thorwaler. Sie war es müde geworden darauf immer und immer wieder zu reagieren.

"So dann, wo kann ich Dir helfen Helena? Ich habe noch nie mitgeholfen ein Boot zu weihen. Ich freue mich aus diese neue Erfahrung."

Helena nickte Janda zustimmend zu und stieg die Treppe hinauf. Auf Tjalvas Frage hin zeigte Sie zum Bug des Schiffes und ging los: "Wir sollten hier beginnen, hier sind wir am wenigsten im Weg." Unterwegs dorthin verteilte Helena zwei Schüsseln mit Swafnirsymbolen an Tjalva und Janda. "Nehmt die, ich werde euch Weihwasser hineinfüllen. Mit diesem müssen wir das Bug, das Heck, den Hauptmast und die Segel des Schiffes segnen indem wir es damit besprengen. Dabei stimmen wir den Choral "Du Segnest" an. Ihr kennt das Lied? Die Anderen werden sicher auch mit einstimmen. Folgt mir einfach und macht mir alles nach." Mit diesen Worten nahm Helena die große Phiole mit dem Weihwasser aus ihrem Rucksack und füllte die Schalen der beiden und noch eine für sich selbst. "Noch fragen?"

Noch während die drei Frauen in den Vorbereitungen steckten, legte das Schiff vom Pier ab. Lautlos glitt die Seespinne durch den Kapitän-Kerlok-Kanal vom Winterhafen hinaus zum regulären Hafen.
Asleif ging währenddessen mit einer Sturmlaterne in der Hand zum Bug. Darauf bedacht, die Frauen bei der Segnung nicht zu stören, stellte er sich abseits hin und hielt die Laterne in die Höhe. Langsam schwang er sie hin und her und starrte dabei in die Dunkelheit. Wenig später erschien in der Dunkelheit ein leuchtender Punkt und bewegte sich ebenfalls bogenartig hin und her.
Kurz nach dem bestätigten Leuchtsignal konnte man sehen, dass die Brücken, die sich über dem Kanal spannten, hinaufgezogen wurden, damit das Schiff passieren konnte.
Dieses aufmerksamkeitsheischende Unterfangen war leider notwendig, da die Karracke nicht, wie die schlanken Drachenboote, den Mast umlegen konnte, um noch unauffälliger den Hafen Thorwals zu verlassen. Aber wie es schien, war alles gut organisiert.
Nachdem die Seespinne eine Brücke nach der anderen passierte, senkten sich die Brücken wieder knirschend, und sonst verkündete nichts weiter von ihrem heimlichen Aufbruch.
Bald schon stach das Schiff in See und ließ Thorwal immer weiter zurück.

Tjalva nahm die Schüssel mit dem Weihwasser entgegen und nickte zu Helenas Anweisungen. Bei Swafnir, kenne ich das Lied? schoß es ihr durch den Kopf? Doch als Helena anhob zu singen, fielen ihr die Wörte wieder ein und somit sang sie das Lied zarghaft mit und tat wie ihr geheissen.

Janda nahm die Schale entgegen und fühlte sich gleich besser. Mit dieser heiligen Schale konnte dieses Elfenweib keine bösartige Magie wirken. Verstohlen blickte sie auf Tjalvas Hände und erwartete tatsächlich Rauch aufsteigen, die Schüssel zerspringen oder die Elfe in Glühwürmchen zerfallen zu sehen. Zu ihrem Ärger passierte nix dergleichen. Dabei hieß es doch, dass die Schneeläufer und Nebelrufer die Zeichen Swafnirs nicht ertragen konnten. Bevor sich ihre Gedanken in einen dicken unlösbaren Knoten verwandeln konnten fragte Helena nach dem Choral.

"Bei Swafnir, wer kennt den nicht." rief sie aus und schmetterte das Lied mit solcher Inbrunst in den Wind, dass wahrscheinlich halb Thorwal nun vom Aufbruch der Seespinne wusste. Energisch spritzte sie ordentlich Wasser auf den Bug.

Nachdem Tjalva, Janda und Helena unter dem Gesang der Matrosen den Bug, das Heck, die Segel und schlußendlich den Hauptmast des Schiffes besprengt und somit gesegnet hatten stellte sich Helena mit ausgebreiteten Armen unter den Hauptmast.
"Swafnir, Gottwal sieh hierhin. Segne unser Schiff, möge es schwimmen mit deinen kleinen Geschwistern. Lass es schnell sein und seine Mannschaft groß an Mut und Tapferkeit. Gibt uns die Kraft und steh uns bei wenn wir den elenden Puderquasten gehörig in den Arsch treten. Wir kämpfen wie ein Thorwaler an deiner Seite und rächen die Unseren. Wir schlagen ihnen die verderbten Köpfe vom Leib und tränken den Boden mit ihrem Blut. Mit Mut und Stolz werden wir Ihnen entgegentreten und die welche du für würdig erachtest nimm aus unseren Reihen in die Deinen auf. Am Ende werden wir alle bereit sein uns im letzten Kampf an deiner Seite wiederzufinden. Ob nun oder in späteren Kämpfen. Lass und hart sein wie der Rumpf, lass uns schnell sein wie der Wind, lass uns mutig sein wie einst die großen Helden unseres Volkes, lass uns alle Feinde niederringen. Nun Männer und Frauen Thorwals zeugt eurem Gott die Ehre!" Mit diesen Worten begann Helena mit der flachen Seite der Axt leise auf ihren Schild einzuschlagen. Gedämpft aber doch durchdringend rief sie seinen Namen. "Swafnir, Gottwal wir ziehen in die Schlacht!"

Nach und nach stimmte jeder Thorwaler in den Gesang der drei Frauen ein, so dass ein volltönendes Lied zu Ehren Swafnirs über die Wellen glitt.
Als Helena sich am Mast aufstellte und Swafnir anbetete das Schiff zu segnen, sah die gesamte Mannschaft erfürchtig zu ihr hin. Voller Stolz und Zuversicht nickten sie einander oder der Geweihten zustimmend zu.
Anschließend stießen sie ihre Waffen oder Fäuste in die Luft und brüllten zustimmend: "Das Wohl!" oder "Tod den Horasiern!"

Asleif, der mit Kapitän Ragnar am Achterdeck stand, nickte voller selbstsicherer Zufriedenheit Helena zu.

Gutgelaunt und voller Zuversicht segelte die Mannschaft der Seespinne durch die Wellen des Golfs von Prem - selbst im Ungewissen darüber, wo die Reise nun hingeht.