Hinterlassene Spuren

29. Firun 30 Hal / 1023 BF auf dem Vogtei Nilsitz

"Wirklich traurig, dass es so kommen musste. Von Sturzenstein war immer sowas wie ein Vorbild für mich gewesen." sagte Kalman von Nilsitz, während er aus dem Fenster seines Herrenzimmers starrte. Kein Sonnenstrahl drang durch den wolkenverhangenen Himmel, statt dessen hatte an diesem kühlen Frühlingsmorgen ein leichter Regenschauer eingesetzt.
"Grämt euch nicht, euer Hochgeboren, sein Geist ist verwirrt und er sehnte sich nach seinen alten Zeiten zurück. Er ist nicht mehr der Mann, den ihr einst kanntet." der Haushofmeister und engster Vertrauter Nilsitz's kam näher zu seinem Herren, welcher am Fenster saß, heran und legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Ihr könnt den Mann in Erinnerung behalten, der die Bärenplage der Umgebung bezwungen hatte, oder eure Frau Mutter von Lösegeldentführung gerettet hatte."
Der Vogt seufzte schwer. "Vielleicht ist er ja unschuldig. Wie kann sich ein so tugendhafter Mann derart wandeln und unschuldigen Kindern so etwas antun?"
"Ich fürchte die Beweise sprechen gegen ihn. Ich denke, es war die Angst vor dem Schicksal, dass uns alle ereilt. Manche Menschen kann die Angst vor Borons ewigen Schlaf wahnsinnig machen."
Kalman überlegte einen Moment, ob er auch solche grauenvolle Taten begehen könnte, wenn er Golgaris Schwingen nahen spürte, verwarf den beängstigenden Gedanken aber kopfschüttelnd wieder.
"Morgen werden von Sturzenstein und der Alchemist sich vor Praios' Strafgericht verantworten müssen. Gerechtigkeit wird vollzogen werden." erklärte der Haushofmeister weiter.
"Ja, und die Kinder sind zum Großteil auch wohlbehalten. Praios sei Dank, dass diese tapfere Gruppe sie gerettet hat." endlich lächelte Kalman schwach.
Der Haushofmeister bemerkte das leichte Glänzen in Kalmans Augen und nickt schmunzelnd. "Ja, solange es noch solche mutige Seelen gibt, lohnt es sich doch an diese Welt zu glauben. Auch wenn sie mir...etwas seltsam vorkamen. Allein die Mischung, dieser Adelige aus dem Bornland und dann diese ganzen Gestalten um ihn herum." der Haushofmeister runzelte verunsichert lächelnd die Stirn.
"In der Tat. Dennoch haben sie diese Tat vollbracht, und nicht nur die Familien der Kinder schulden ihnen ewige Dankbarkeit." der Vogt wendete sich nun vom Fenster ab und ging zum Schreibtisch hinüber. "Aber zurück zum wesentlichen. Wir brauchen einen neuen Verwalter für das Gut. Ich zweifel ebenfalls an von Sturzensteins Unschuld, und einen Erben hat er nicht. Also müssen wir einen anderen Ritter das Lehen geben. Bis dato werdet ihr das Gut verwalten, ich hoffe das kriegt ihr bewerkstelligt."
"Selbstverständlich, aber wen hattet ihr denn vorgesehen, dafür? Doch nicht etwa Bernhelm..."
"Nein, auch wenn er darauf brennt, sein eigenes Lehen zu erhalten, halte ich von ihm genauso wenig wie ihr." erklärte der Baron sachlich und starrte nachdenklich auf die Tischplatte. "Hmmm, mir kommt da gerade eine Idee-" bevor der Vogt den Satz beenden konnte, klopfte es feste gegen die Tür. Eine Wache trat ein, nachdem Einlass erlassen wurde.
"Euer Hochgeboren, von Sturzenstein...er..." druckste die Wache abgehetzt rum.
"Sprich schon, Mann! Was ist mit ihm?!" forderte der Baron ungeduldig.
"Er...ist tot, Herr." sagte der Wachmann schließlich und blickte etwas schuldbewusst gen Boden.
"Was?!" fuhr Kalman von Nlisitz hoch. "Man hat seine Wunden doch gut versorgen lassen!"
"Doch doch..." entgegnete der Wachmann rasch. "Wir haben ihn gerade erhängt in seiner Zelle aufgefunden."
Der Vogt blickte überrascht zum Haushofmeister, der den Mund verzog. "Vermutlich wollte er der Schmach der Gerichtsverhandlung entgehen." sagte dieser knapp.
Nilsitz seufzte schwer. "Sorgt für eine angemessene Bestattung." sagte er und winkte die Wache hinaus.
"Soviel Feigheit habe ich nicht von ihm erwartet." murmelte der Vogt leise und ließ sich auf seinen gepolsterten Sessel fallen. "...andererseits hatte ich auch nicht erwartet, dass er Kinder quälen würde...Hoffen wir, dass alle Beteiligten, vor allem die Kinder, diese fürterlichen Vorfall bald vergessen mögen..."
Dann richtete er den Blick wieder auf den Haushofmeister. "Holt Feder und Tinte, ich möchte ein Schreiben aufsetzen. Erinnert ihr euch noch an den Namen dieses Bornländers?"

Ein Auszug aus dem Aventurischen Boten Peraine 32 Hal / 1025 BF


RONdra und INGerimm erscheinen in Kurkum.

Unglaubliches soll sich in der geschliffenen Amazonenburg zu Kurkum abgespielt haben. Wie uns ein mutiger Schreiber berichtete, der sich zur Zeit in den Schwarzen Landen aufhielt und für uns das neuste aus der Front berichtete, sind RONdra und INGerimm persönlich in der ehemaligen Amazonenburg zur Kurkum erschienen. Unser Schreiber ist auf dem Pilgerpfad zur Amazonenburg gelangt. In Kurkum soll laut Gerüchten das letzte Heiligtum der Leuin in den Schwarzen Landen stehen, dies wollte unser Schreiber überprüfen. Schon vorher hatte er erfahren, dass seit der Schlacht um Kurkum die Ketzer versuchen das Heiligtum zu Fall zu bringen. Tag und Nacht harrten die Götzendiener im unheiligem Gebet vor den verschlossenen Toren des Heiligtums. Als unser Schreiber auf dem Burgplatz ankam, stand dort tatsächlich noch stolz und unberührt das Allerheiligste der Amazonen. Der Tempel der Leuin zu Kurkum.

Doch anstatt die Ketzer im Gebet vorzufinden waren diese scheinbar in heller Aufregung. Wie sich herausstellte war eine Gruppe von Geweihten in das Heiligtum eingedrungen. Plötzlich, so erzählt uns unser Schreiber, öffneten sich die rot-goldenen Tore des Tempels und die Leuin selbst kam mit erhobenen Schwert heraus. Ihr folgte Ingerimm in Form eines grimmigen Angroschim sowie ein offensichtlicher Geweihter der Leuin. Wie ein Sturm fegten die Göttlichen unter die Ketzer und hielten blutige Ernte.

Endlich ein Hoffnungsschimmer der uns alle aufatmen lässt. Die Zwölfe formieren sich zum Krieg gegen den Dämonenkaiser. In Kurkum hat es begonnen und in Yol'Ghurmak wird es enden.

//text von Nicky//