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 Korallennächte (Eine Nachkriegsmücken-Kurzgeschichte)

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Gauri von Scherpinskoje

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BeitragThema: Korallennächte (Eine Nachkriegsmücken-Kurzgeschichte)   Korallennächte (Eine Nachkriegsmücken-Kurzgeschichte) EmptyDi Dez 07, 2010 2:06 am

Es war später Abend an einem Novembersamstag. In das gleichmäßige Rauschen des Regens mischten sich verschiedene Basswellen, die aus einer kleinen Lokalität am Lüdenscheider Bahnhof drangen.

Schritte näherten sich der gläsernen Eingangstür, kurz ertönte die Musik beträchtlich lauter, bevor ein metallisches Geräusch Musik und Besucher wieder im Inneren verschwinden liessen.

Dringen war es heiß. Der Laden war klein, für vielleicht gerade mal fünfzig Gäste ausgelegt, welche sich in den kleinen Bereichen um der Drei-Fronten-Theke aufhalten konnten. Einige wenige Tische, und Sitzecke am großen Fenster, das war es auch schon. Und eine kleine Erhöhung in der hinteren, rechten Ecke, auf der ein Mikrofonständer stand. Hier wurden Karaoke- und freie Gesangsabende abgehalten. Etwas, das sich in der Lüdenscheider "Szene", wollte man einer solch kleinen Stadt diesen Begriff zugestehen, gerade "In" war.

Zu dieser Stunde war die "Koralle" zum bersten voll. Aufgebrezelte Teenies bestellten aktuelle Alkopops, um mit den Korn-Mischgetränken der Musik-Juppies anzustoßen. Szeneraubtiere gab es in beiden Lagern, und alle mischten sich lauthals und trinkend durcheinander.

An den Tischen in der Fensterecke hatte sich heute Abend anscheinend eine Mädchen-Clique eingenistet. Allein der Geruch von Haarspray, Bruno Banani und Co. konnte einem Blinden sehr detailreiche Beschreibungen der jungen Damen zukommen lassen.

Während sich vier von ihnen lauthals lachend über irgendeinen Jungen unterhielten, blieb eine fünfte recht still am Tisch. Sie war neu hier, sowohl in der Lokalität, als auch in der Begleitung. Eine der anderen hatte sie eingeladen. Sie verließ selten die Wohnung, war noch nicht allzu lange in der Stadt und hatte kein wirkliches soziales Netzwerk. Die anderen wussten nicht, das sie alleine wohnte. Das Jugendamt half ihr bei allen verwaltungstechnischen Angelegenheiten, und sie wollte in dieser Stadt einen Neustart wagen. Niemand wusste, das sie vor zwei Jahren aus einer Nervenheilanstalt in Frönsdorf entlassen worden war. Sie erinnerte sich nicht wirklich an die Zeit davor, aber die Ärzte sagten ihr, das der Verlust ihrer Eltern sie traumatisiert haben musste. Auch wenn sie manchmal darüber nachdachte, wie wohl ihre Kindheit gewesen war, nahm sie es doch meistens hin und schaute nach vorn. Ein allein lebendes Mädchen war in dieser Zeit keine Besonderheit mehr.

Mit einem Ohr lauschte sie den gerade zuteil werdenden Ratschlägen zum Thema Kleidung. Irgendetwas störte sie. Ein Blick durch den Laden ergab das anscheinend gängige Bild. Die beiden Asiatinnen hinter der Theke schenkten lachend die Getränke im Dauerfeuer aus, während sich die Stammkundschaft auf Stühlen, Barhockern oder an der Wand gelehnt herumlümmelte und sich lautstark unterhielt, um sich über dem Lärm eines Lady Gaga Songs verstehen zu können. Zur Zeit erscholl Musik vom Computer, die kleine Ein-Mann-Bühne war verwaist. Nur neben der Bühne saß jemand... und starrte sie anscheinend an.

Flüchtig ließ sie ihren Blick noch einmal schweifen, um ihm nicht zu zeigen das sie etwas gemerkt hatte. Er saß auf einem der kleinen Metallstühle und hatte den linken Fußknöchel auf sein rechtes Knie gelegt und wippte mit dem Fuss in einem Takt, der nicht zur laufenden Musik passte. Seine Kleidung war schlicht und schwarz. Überhaupt wirkte er eher wie einer dieser Gothics, von denen sie manchmal was gehört, und noch seltener gesehen, hatte. Die schwarze Lederhose und das lange, altmodisch aussehende Hemd konnten nicht verbergen, das dieser Mann anscheinend sehr schlank, wenn nicht sogar dünn, war. Lange, schwarze, gelockte Haare umrahmten ein blasses, edel anmutendes Gesicht. Er wäre vielleicht recht ansprechend gewesen, wenn er nicht einer dieser düsteren Spinner gewesen wäre. Und der Blick. Er sah einfach nicht weg, es schien ihm überhaupt nicht peinlich zu sein, sie so direkt anzustarren.

Nervös nahm sie schnell einen Zug mit dem Trinkhalm aus ihrem Cocktail. Sie konnte den Blick in ihrem Nacken spüren, die feinen Haare auch ihren Armen stellten sich unwillkürlich auf. Sie riskierte einen weiteren Blick über ihre Schulter. Der Stuhl an der kleinen Bühne war leer.

Der schwarz gekleidete Mann, vermutlich Mitte zwanzig schätzte sie, stand an der Theke, und schob der älteren der beiden Asiatinnen etwas zu. Sie sprach kurz etwas, und er nickte nur. Sie schien skeptisch, nahm aber den Gegenstand, der wie eine CD-Hülle aussah, und verschwand im hinteren Bereich. Mit beinahe unverschämt eleganten Bewegungen drehte sich der Schwarzgekleidete herum und erklomm mit einem schnellen Schritt das Bühnenbrett.

Die junge Teenagerin stellte fest, das er nun noch wesentlich größer wirkte. Seine schlanken Gliedmasse erinnerten sie kurz an eine Spinne. Lang, dünn, koordiniert und elegant. So gar nicht ihr Typ. Sonnenbräune, Waschbrettbauch, kurzes blondes Haar, das war ihr Beuteschema. Nun, wenn sie ein Beuteschema gehabt hätte. Bisher hatte sie noch keinen Jungen an sich herangelassen, seitdem sie allein lebte. Dennoch, irgendetwas liess sie immer wieder zu ihm hinblicken. Es war eine Art perverse Faszination, das Interesse an etwas völlig fremden. Und seine Ausstrahlung war nicht gering, trotz seines offenkundigen, modischen Fehlgriffs in dieser Lokalität.

Die Musik verebbte, und einige Leute drehten sich neugierig zur Bühnenecke herum. Eine langsame, von E-Gitarren und Keyboard getragene Melodie erklang leise, und schwang sich allmählich zum Auftakt empor. Na toll, Darkwave oder Industrial, oder wie immer die das nennen wenn Gothics mit Elektronik arbeiten, dachte sie bei sich. Totaler Griff ins Klo hier.

Als er das Mikrofon ergriff blickte er ihr plötzlich direkt in die Augen und hielt ihren Blick gefangen. Sein Mund näherte sich dem Mikrofon, und seine Stimme war tief und rauchig, wie sie es so gar nicht erwartet hätte.

Sie küsste sanft ihr liebstes Spielzeug
Bevor sie es zerbrach
Dann schlich sie sich voll dunkler Sehnsucht
Ins kalte Schlafgemach

Sie holte leis das letzte Streichholz
Aus Vaters Schrank hervor
"Warum hast du mir nie geholfen?"
Schrie sie in Mutters Ohr

"Ich hoffe, dass wir uns nie wieder sehn!"


Nicht nur sie, sondern auch viele der anderen Gäste runzelten irritiert die Stirn. Was sollte das für ein Text sein? Echt krank. Plötzlich erhob er die Stimme und füllte den Raum mit seiner Präsenz als der den Teil sang, der der Refrain sein musste.

Damit ihr wisst, wie es ist
In der Hölle zu sein
Damit ihr wisst, wie es ist
Nach Erlösung zu schrein
Nur deshalb komm ich zurück
Mit flammendem Blick
Ich nehm das letzte Streichholz
Und verbrenne eure schöne heile Welt


Sie konnte den Blick immernoch nicht abwenden. Feiner Schweiss bildete sich auf ihrer Stirn, ihre Atmung beschleunigte. Irgendwo am Rande bekam sie mit wie ihre Bleiterinnen (man konnte noch nicht von Freundinnen sprechen) kicherten.

Sie kochte sich die letzte Mahlzeit
Bevor sie sich erbrach
Dann spukte sie voll tiefer Abscheu
Ins schwarze Schlafgemach

"Ich hoffe, dass wir uns nie wieder sehn!"


Ein Keuchen entrang sich ihrer zugeschnürten Kehle. Ihre Hände krallten sich in den Stoff ihres Pullovers als wollten sie ihn auswringen. Seinen Augen brannten sich in ihre Seele.

Damit ihr wisst, wie es ist
In der Hölle zu sein
Damit ihr wisst, wie es ist
Nach Erlösung zu schrein
Nur deshalb komm ich zurück
Mit flammendem Blick
Ich nehm das letzte Streichholz
Und verbrenne eure Welt

Damit ihr wisst, wie es ist
In der Hölle zu sein
Damit ihr wisst, wie es ist
Nach Erlösung zu schrein
Nur deshalb komm ich zurück
Mit flammendem Blick
Ich nehm das letzte Streichholz
Und verbrenne eure schöne heile Welt

Wisst ihr jetzt, wie die Hölle wirklich ist?
Wisst ihr jetzt, wie die Hölle wirklich ist?
Wisst ihr, das euer Spiel zu Ende ist?
Wisst ihr, das eure Liebe tödlich ist?


Ihr Cocktailglas zersplitterte auf dem gefliessten Boden, als sie den Tisch anstiess bei dem Versuch zu hastig aufzustehen. Irritierte Blicke galten nun ihr. Ihre Freundinnen waren verstummt und schauten sie halb neugierig, halb abwertend an. Sie nahm es nicht wahr. Bilder zuckten immer wieder vor ihrem inneren Auge auf.

Damit ihr wisst, wie es ist
In der Hölle zu sein
Damit ihr wisst, wie es ist
Nach Erlösung zu schrein
Nur deshalb komm ich zurück
Mit flammendem Blick
Ich nehm das letzte Streichholz
und verbrenne eure Welt

Damit ihr wisst, wie es ist
In der Hölle zu sein
Damit ihr wisst, wie es ist
Nach Erlösung zu schrein
Nur dehalb komm ich zurück
Mit flammendem Blick
Ich nehm das letzte Streichholz
Und verbrenne eure schöne heile Welt


Als die Musik langsam ausklang, brach sie mit tränenüberströmten Gesicht vor der kleinen Bühne zusammen. Ihr Körper zuckte von unkontrollierten Schluchzern und um sie herum nahmen die anderen Gäste schnell Abstand, ohne aber ganz aus dem Zuschauerbereich zu verschwinden.

Der Mann auf der Bühne schaute mit hängenden Armen auf das Mädchen herab, als würde er ihren Schmerz fühlen. Dann sprang er von der Bühne, strich ihr einmal aber den Kopf und ging zur Garderobe. Er hatte erstaunlich freie Bahn, und mit Mantel und Zylinder verschwand er im Regen der nächtlichen Stadt. Kurz darauf traf ein Krankenwagen ein.


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Quellenverzeichnis:

Oomph! - Das letzte Streichholz
https://www.youtube.com/watch?v=v9Ec7B_ApME

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BeitragThema: Re: Korallennächte (Eine Nachkriegsmücken-Kurzgeschichte)   Korallennächte (Eine Nachkriegsmücken-Kurzgeschichte) EmptyMi Dez 08, 2010 7:41 pm

Hehehe, geile Geschichte! Thanks dafür!
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